Zu der Ziffernfolge „310 0 402/16“ listet Google derzeit ungefähr 157.000 Ergebnisse. Der Literaturnobelpreisträger von 1916, Verner von Heidenstam, bringt es hingegen nur auf ungefähr 125.000 Google-Ergebnisse. Damit bleibt ein bedeutender Urheber schwedischer Literatur trotz hundertjährigem Nobelpreisjubiläum hinter einer Zeichenfolge zurück, die einen Beschluss des Landgerichts Hamburg (Beschluss vom 18.11.2016 – 310 0 402/16) identifiziert. Und schon sind wir beim Thema: Es geht um Urheber wie von Heidenstam, die das Landgericht Hamburg nun besonders schützen will – konkret um das Urheberrecht im Internet: Wer auf der eigenen Internetseite einen Link auf eine andere Internetseite setzt, muss haften, wenn auf der anderen Internetseite gegen Urheberrechte verstoßen wird.
Dr. Stephan Gärtner ist Gründer der Kanzlei STANHOPE und bundes- und europaweit als Rechtsanwalt für Datenschutzrecht tätig. Er berät v.a. mittelständische Unternehmen in datenschutzrechtlichen und angrenzenden Fragen, sowohl in Einzelfällen als auch als betrieblicher Datenschutzbeauftragter.
Die Vorgeschichte
Am 8. September erklärte der Europäische Gerichtshof, dass Hyperlinks auf der eigenen Website zu urheberrechtlich geschützten Werken, die auf der verlinkten Seite unerlaubt veröffentlicht wurden, eine öffentliche Wiedergabe und somit eine Urheberrechtsverletzung sein können (Urteil vom 8. September 2016 – C-160/15).
Wer gilt als Urheber im rechtlichen Sinne?
Den Schöpfer eines Werkes, etwa eines Romans oder eines Fotos, nennt man Urheber (§ 7 UrhG). Nur er hat das Recht, sein Werk zu verwerten (§ 15 UrhG). Dritte, die dies ohne seine Erlaubnis tun, müssen dies in der Regel unterlassen und Schadenersatz zahlen (§ 97 UrhG). Nun gibt es mehrere Arten, ein Werk zu verwerten. Eine Art nennt man die „öffentlichen Zugänglichmachung“ (§ 19a UrhG). Sie findet nicht nur im deutschen Urheberrechtsgesetz Erwähnung, sondern auch in einer übergeordneten EU-Richtlinie, nämlich in Artikel 3 Absatz 1 der sog. InfoSoc Richtlinie 2001/29/EG.
In seinem Urteil musste der EuGH die Frage beantworten, ob und unter welchen Bedingungen Hyperlinks zu rechtswidrig veröffentlichen geschützten Werken eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2001/29 darstellen. Kurz gesagt: Gebe ich ein Werk öffentlich wieder, wenn ich auf meiner eigenen Internetseite einen Link zu seiner anderen Seite setze, auf der dieses Werk zu sehen ist? Und muss ich dann für das Setzen des Links haften?
Link verletzt Urheberrecht im Internet – der Vorsatz ist entscheidend
Für den EuGH kommt es vor allem darauf an, was der „Linksetzende“ dachte und wusste. Denn wenn er wusste oder wissen musste, dass sich auf der verlinkten Seite in rechtswidriger Weise urheberrechtlich geschützte Werke befinden, gab er diese Werke auch „wissentlich“ öffentlich wieder. Allerdings gibt es hier Schwierigkeiten, denn es geht um nicht weniger als eine Beeinträchtigung der Grundrechte der Kommunikation. Entscheidend ist für den EuGH daher die Gewinnerzielungsabsicht. Denn von jedem, der Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht setzt, könne erwartet werden:
„dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führen, nicht unbefugt veröffentlicht wurde, so dass zu vermuten ist, dass ein solches Setzen von Hyperlinks in voller Kenntnis der Geschütztheit des Werks und der etwaig fehlenden Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zu seiner Veröffentlichung im Internet vorgenommen wurde.“
Konkret bedeutet dies: Wer einen Hyperlink mit Gewinnerzielungsabsicht setzt, muss stets prüfen, ob auf der verlinkten Seite Urheberrechte verletzt werden. Unterlässt er dies, wird dennoch unterstellt, dass er von etwaigen Urheberrechtsverletzungen wusste.
Urheberrechtsverletzung im Fall des Hamburger Landgerichts
Das Landgericht Hamburg musste sich nun mit dem Urteil des EuGH auseinandersetzen. Streitgegenstand war eine Fotografie, die unter einer sog. Creative-Commons-Lizenz stand.
Exkurs zum Begriff der Lizenz
Der Urheber kann Dritten an seinem Werk Rechte einräumen; etwa in Form von Lizenzen. Hierbei sind die sog. Creative-Commons-Lizenzen verbreitet. Creative Commons (CC) ist eine Organisation, die vorformulierte Lizenzverträge bereitstellt, um Urhebern die Freigabe ihrer Werke bei gleichzeitigem Schutz zu ermöglichen.[/box]
Die Creativ-Commense-Lizenz im genannten Fall ließ eine kostenfreie Nutzung und Abwandlungen zwar grundsätzlich zu, sie sah jedoch auch gewisse Einschränkungen vor. So musste stets der Urheber genannt und eine Abwandlung deutlich kenntlich gemacht werden. Gegen diese beiden Vorgaben verstieß der Anbieter einer Internetseite (A), als er das abgewandelte Foto zeigte. Doch das Gerichtsverfahren richtete sich nicht gegen ihn, sondern gegen den Anbieter einer anderen Internetseite (B), die mittels eines Textlinks auf die Seite des „A“ verlinkte. Der Urheber verlangte nun vom „B“, die Verlinkung zu unterlassen. Im weiteren Verlauf beantragte er beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung, die seine Rechte als Urheber durchsetzen sollte.
Wie hat das Landgericht Hamburg entschieden?
Das Landgericht Hamburg sah in der Verlinkung tatsächlich ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19a UrhG und berief sich dabei auf den EuGH. Es kam zu dem Ergebnis, dass B zumindest wissen musste, dass die verlinkte Zugänglichmachung rechtswidrig war. Hierbei stützt sich das Landgericht Hamburg auf die Annahme des EuGH, dass derjenige, der Links mit Gewinnerzielungsabsicht setze, besondere Prüfpflichten habe. Diese habe der B jedoch verletzt. Entscheidend für die Gewinnerzielungsabsicht sei nicht, dass die konkrete Linksetzung oder der Betrieb der Unterseite mit dem Link mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt. Es genügt vielmehr, dass der Internetauftritt insgesamt der Erzielung eines Gewinns dienen soll. Dies nahm das Landgericht Hamburg für die Internetseite des B an.
Verlinkung und Urheberrechtsverletzung: Folgen für die Praxis
Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg bedeutet nicht, dass jeder, der Links setzt, nun sofort erfolgreich abgemahnt werden kann. Denn einerseits handelt es sich um eine erste Entscheidung, andererseits ist eine höchstrichterliche Klärung zu erwarten. Dass sich die Rechtsauffassung des Landgerichts Hamburg dann durchsetzen wird, ist längst nicht sicher. Es gibt durchaus rechtliche Argumente, die gegen die Entscheidung sprechen.
Gleichwohl sollte der Entscheidung Aufmerksamkeit gewidmet werden. Denn eines ist klar: Weitere Abmahnungen werden folgen. Für die Anbieter von Internetseiten gibt es nun einiges zu tun.
- Zunächst sollte man sich dafür entscheiden, eine Routine für Verlinkungen zu entwickeln. Konkret heißt das: Unternehmen, Blogbetreiber oder Anbieter anderer Internetseiten sollten einen Prüfprozess definieren, der jeder Linksetzung vorgeschaltet ist.
- Dann ist zu entscheiden, welche Maßnahmen konkret ergriffen werden. Mit Blick auf den Aufwand sind hier viele Varianten möglich; denkbar ist ein Vier-Augen-Prinzip, eine automatisierte oder individualisierte Internetrecherche oder gar anwaltlicher Rat. Das Ausmaß der Prüfpflichten sollte davon abhängen, ob der Betrieb der Internetseite mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt oder nicht. Maßgeblich sollte aber auch die Auffindbarkeit der eigenen Internetseite sein.
- Überdies sollte man den Markt und die kommenden Gerichtsentscheidungen genau beobachten. Bald schon könnte ein Gegentrend einsetzen, der vielleicht dazu animiert, die oben genannten Maßnahmen wieder zurückzufahren.
Wie sich dieser Sachverhalt weiterentwickelt, bleibt abzuwarten. Denn immer wieder korrigieren sich Gerichte auch selbst und finden am Ende ein gerechtes Maß. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Die Gesellschaft mag das Internet langsam begreifen, für das traditionelle Recht (insbesondere das Urheberrecht) ist das Internet aber tatsächlich noch „Neuland“.